7 Hills of Edinburgh

Die 7 Hills of Edinburgh sind der eigentliche Grund, warum wir uns in Schottland aufhalten. Es handelt sich um einen Orientierungs- und Berg-/Crosslauf. Ziel ist es, alle sieben Hügel rund um Edinburgh in einer festen Reihenfolge zu erlaufen. Auf jedem Hügel gibt es einen Checkpoint mit einem Clipper. Hierbei handelt es sich um eine Art Zange, mit der man seine Startnummer abklipst. Damit wird sichergestellt, dass man auch wirklich sämtliche sieben Hügel erklommen hat. Es ist ein Orientierungslauf, da es keine vorgegebene Strecke und somit auch keine Streckensperrung gibt. Der Weg kann frei gewählt werden, so dass man über Hauptstraßen, über Golfplätze oder durch Kleingartenanlagen laufen kann/muss. Ohne Ortskenntnisse ist man eigentlich verloren. Wir sichern uns ab, indem wir die Strecke auf unsere GPS-Laufuhren laden. Sicher ist sicher!

Der Lauf wird in The Challenge und The Race unterteilt. Bei The Challenge starten die etwas langsameren Läufer mit einem Vorsprung von 30 Minuten. Anschließend kommt das Hauptfeld The Race und überrollt irgendwann die zuvor gestarteten Läufer.

Am Abend vor dem Lauf wurden alle Ausländer von den Organisatoren zu einem Kennenlern-BBQ in einer Kleingartenanlage eingeladen. So haben wir die Organisatoren (Charles und dreimal Allan) und die anderen ausländischen Starter kennengelernt. Die anderen Starter kamen aus den Niederlanden und sind Wiederholungstäter. Für einen ist es in diesem Jahr bereits der siebte Start.

Am Tag des Wettkampfs geht um 07:30 Uhr der Wecker, wir frühstücken nur sporadisch und machen uns auf den Weg Richtung Calton Hill, dort ist der Start- und Zielbereich. Es geht steil bergauf – und das schon vor dem Start! Oben angekommen, ist schon einiges los. Wir bekommen schnell unsere Startnummer und Kleiderbeutel. Mark und Jutta gehen – nein, sie laufen!! – mit Alans Bruder Alister (70 Jahre alt) Richtung Castle Rock, da sie den ersten Checkpoint übernehmen. Wir machen noch ein  paar Fotos und stellen entsetzt fest, dass der Akku der kleinen Kamera, die wir während des Laufs mitnehmen wollten, leer ist. Es ist 9:25 Uhr, um 9:45 Uhr startet Denise, um 10:15 Uhr Mike. Also geht Mike zurück und holt den Ersatzakku, dadurch verpasst er leider ganz knapp den Start von Denise.


Der Lauf aus Denises Sicht

Wir starten in Richtung Innenstadt und schon nach kurzer Zeit sind die meisten nicht mehr zu sehen. Am Fuße des Calton Hill stehen wir direkt im Stadtverkehr, wir überqueren mehrfach die Straßen und laufen auf der Princess Street Richtung Edinburgh Castle. Viele Leute schauen uns irritiert an und wundern sich bestimmt, was so ein großer Haufen Läufer dort macht...

Wir erreichen den Eingang des Castle, dort sehe ich Jutta und Mark und dort ist auch der erste Checkpoint und ich klipse die Startnummer das erste Mal ab. Es geht wieder bergab und durch einen Park hindurch, dann geht es wieder einige Zeit durch Wohngebiete. Nach 3,8 km ist kein Läufer mehr vor mir zu sehen und ich muss zum ersten Mal die Strecke auf meiner Garmin in Anspruch nehmen. Ohne das wäre ich auf der Strecke komplett verloren gewesen...

Bald geht der Abzweig hoch Richtung Costorphine Hill. Hier muss ich schon das erste Mal gehen. Ich laufe mit Penny aus Edinburgh zusammen, sie kennt sich hier bestens aus und wir werden einen Großteil der Strecke zusammen laufen. Auf einer Wiese ist die erste Versorgungsstation, zum Checkpoint müssen wir noch etwas weiter laufen - das muss man aber auch kennen!

Es geht zurück und über eine Wiese ordentlich bergab wieder ins nächste Wohngebiet. Dort werden wir dann auch vom ersten Race-Läufer überholt, der eine halbe Stunde nach uns gestartet ist - ich habe hier 8 km auf der Uhr.

Nun werden wir am laufenden Band überholt, es geht wieder über etliche Straßen und die schnellen Leute rennen teilweise blind vor die Autos. Sehr abenteuerlich.

Es geht bald schon wieder zum nächsten Hügel - dem Craiglockhart Hill. Hier habe ich Peggy nicht an meiner Seite und ich laufe den schnellen Leuten hinterher, als sie plötzlich querfeldein einen Hügel hinauflaufen. Es ist derart steil und rutschig, dass ich kaum hinaufkomme. Ich frage: „Is this the easiest way?“ - „No, but the funniest one.“

Oben angekommen, bin ich fix und fertig. Von der anderen Seite kommen uns Läufer entgegen. Okay - das war scheinbar der einfache Weg...

Es geht noch über eine Grasfläche hoch zum Gipfel, dort ist die nächste Wasserstelle und Klipserstation. Hier bläst ordentlich der Wind und es ist kräftig kalt. Hier halte ich mich etwas auf, und schon sehe ich Mike den Berg hinaufkommen. Er hat mich also auch schon nach knapp 12 km eingeholt...

Er gibt mir die Kamera und ab geht es den Berg wieder hinunter. Ab hier laufe ich einige Zeit allein und orientiere mich wieder an der Uhr. Im nächsten Wohngebiet treffe ich wieder auf Penny und wir laufen gemeinsam zum nächsten Hügel - dem Braid Hill. Diesmal ist die Wasserstelle am Fuße des Berges, da kein Fahrzeug den Berg hinaufkommt. Hier treffen wir auch Charles wieder, der gestern beim BBQ dabei war. Wir quatschen etwas und weiter geht es den Berg hinauf. Hier ist der Checkpoint ganz einsam und die Klipser sind an eine Parkbank gebunden. Das kann man aber auch schnell übersehen!

Runter geht es nun querfeldein über eine Wiese und quer über einen Golfplatz. Hier stoße ich wieder auf Penny, die ich bergauf verloren habe. Wir laufen gemeinsam weiter zum Blackford Hill, hier erwarten uns mächtig viele Stufen! Einer der Holländer erzählte uns gestern noch: „This steps kill me every year.“ Es ist mächtig steil und anstrengend. Auf dem Weg nach oben hören wir schon einen Dudelsackspieler. Und tatsächlich: oben steht einer und trotzt dem Wind, der hier auch wieder kräftig und kalt weht! Wir machen Fotos, quatschen wieder etwas an der Wasserstelle und ich höre, dass Mike hier auch schon vorbeigekommen ist. Wir tragen T-Shirts mit unserem Namen und einer Deutschlandflagge, und wir wurden an unseren T-Shirts erkannt und auch oft darauf angesprochen. Ein paar Mal wurde ich gefragt, ob ich in Edinburgh lebe, und viele Male gab es Sprüche wie „Well done, Denise!“, „Good luck, Denise.“ oder ähnliches. Auch einige der Holländer haben mich überholt und wir haben kurz ein paar Worte gewechselt.

Wir verlassen den Blackford Hill und nun erwartet uns die größte Herausforderung: Arthur’s Seat. Auf dem Weg dorthin geht Peggy, weil sie Seitenstiche bekommt. Ich laufe weiter, weil ich dachte, sie holt mich eh wieder ein. Wäre ich mal bei ihr geblieben...

Wir laufen einige Zeit durch die Straßen und ich schließe mich drei Mädels an. Sie kommen auch aus Edinburgh und kennen den Weg, aber am Fuße des Arthur’s Seat angekommen, wissen sie nicht, welchen Weg sie einschlagen sollen. Da sie sich von der Strecke auf der Uhr entfernen, trenne ich mich von ihnen und laufe nach Uhr. Und das war hammerhart, denn dieser Weg geht querfeldein und ich klettere, als wenn ich eine Bergziege wäre, über Stock und Stein. Wenn ich hier ausrutsche, dann war es das mit mir...

Auf halber Strecke sehe ich die drei anderen etliche Meter über mir. Also wäre ich mal lieber bei ihnen geblieben... Auch Peggy sehe ich kurze Zeit später, auch sie ist einiges über mir. Irgendwann habe ich einen halbwegs normalen Weg erreicht und der Gipfel naht. Es ist sehr windig, ich muss meine Mütze festhalten, damit sie mir nicht vom Kopf fliegt. Als ich meine, den Gipfel erreicht zu haben, sehe ich, dass ich noch zum Nachbargipfel muss. Und der ist nochmal um einiges höher...

Hier sind auch viele andere Spaziergänger unterwegs. Was die wohl von uns denken...

Mittlerweile bin ich nur noch froh, dass es bald vorbei ist und hoffe, dass ich auch heil wieder herunterkomme. Oben angekommen, sitzen die Marshalls in eisiger und windiger Höhe beim Checkpoint und zeigen mir die Richtung, wo ich wieder hinunter muss.

Ich bin nun ganz alleine, kein anderer Läufer ist zu sehen. Auch der Calton Hill ist von hier aus nicht zu sehen, und ich rutsche und schliddere wieder bergab. Unten angekommen, geht es wieder einige Zeit durch den Ort und am Holyrood Park vorbei, und dann sehe ich auch das Ziel: noch einmal muss ich den Calton Hill hinauf. Ich schlängele mich den Weg hinauf, und kurz vorm Ziel verlaufe ich mich noch einmal ordentlich und eine Frau erklärt mir den Weg ins Ziel. Endlich die letzte Kurve, ein letztes Mal ein leichter Anstieg ins Ziel, und da sehe ich auch Mike, Jutta und Mark stehen. Sie feuern mich an und Mike geleitet mich die letzten Meter ins Ziel. Ich stoppe meine Uhr bei 3:59:59. Na - DAS nenne ich mal Timing!

Ich bekomme den Finisher-Bierdeckel, die Verpflegungsstellen sind schon abgebaut, aber Mike reicht mir direkt unsere Wasserflasche und die drei haben mir in weiser Voraussicht ein Stück Kuchen aufgehoben. Ich spreche noch kurz mit Alan, der im Ziel sitzt. Außerdem mit Penny, die im Ziel auf mich gewartet hat. Sie gibt mir ihre Emailadresse, damit ich ihr ein paar Fotos schicken kann. Außerdem lädt sie uns für abends zum BBQ ein, aber wir lehnen dankend ab.


Der Lauf aus Mikes Sicht

Denise kann ich am Start leider nicht mehr sehen, bin ich doch erst um 09:46 Uhr wieder im Startbereich. Vor unserem Start gibt Alan noch ein paar Instruktionen und dann geht es auch schon los. Ich starte von hinten und bin auf einmal Letzter, das ändert sich aber nach wenigen Metern. Die Treppen herab und durch die Straßen von Edinburgh erreichen wir zügig das Edinburgh Castle, hier stehen Mark und Jutta. Der erste Klipser ist auch hier. Damit wäre Castle Rock geschafft.

Dann runter durch einen Park und wieder durch viele Straßen. Irgendwann wird es ländlicher und wir passieren einen Golfplatz. Ich mache ein paar Fotos aus dem Lauf bzw. halte auch mal an. Dann kommt der Anstieg zum Costorphine Hill und oben ist eine Verpflegungsstelle. Zum Glück kann ich erkennen, dass hier die Läufer noch in einem Wald eine kleine Runde drehen, denn dort ist der zweite Klipser aufgestellt, das muss man aber auch kennen.

Die nächsten Kilometer folge ich einem älteren Läufer in einem braunen Shirt, der die Strecke scheinbar gut kennt, denn er nimmt ein paar Abkürzungen bzw. die direkten Wege. Leider ist er für mich zu langsam, so dass ich ihn überhole, er mich aber wieder erreicht wenn ich mal nicht weiter weiß.

Dann kommt Craiglockhart Hill und ich folge ihm einen Treppenweg hinauf. Oben angekommen, bin ich überrascht schon Denise zu treffen, wir haben nun fast 13 km hinter uns. Mein Läufer ist nun leider weg, das ist schade. Denise und ich gönnen uns ein Getränk und werden von Penny (Denises Mitläuferin) fotografiert. Hier ist auch der dritte Klipser. Dann trennen sich unsere Wege und wir laufen weiter.

Am Aufstieg zum Braid Hill steht eine Wasserstelle mit Charles. Einem Weg folgend geht es hoch auf den Berg. Ein Läufer dort macht auf den vierten Klipser aufmerksam, der unscheinbar an einer Parkbank hängt. Ich hoffe, dass Denise diesen auch sehen wird. Waren in der Stadt noch einige Läufer vor mir, so wird es hier nun weniger. Ein Weg führt querfeldein durchs Gebüsch, ohne die anderen Läufer hätte ich es nicht gefunden.

Dann laufen wir in einen Wald. Komischerweise sind unter mir ein paar Läufer aber ich weiß gar nicht, wie die dort hingekommen sind. Ich folge daher einem anderen Läufer, aber lt. meiner Uhr führt die Strecke hier gar nicht mehr her. Also drehe ich um und laufe runter zu einem kleinen Bach und über eine Brücke, aber hier ist die Strecke wohl auch nicht mehr. Nun kraxele ich einen Anstieg direkt hinauf. Ich halte mich dazu an umgestürzten Baumstämmen und sonstigen Hilfsmitteln fest. Irgendwann bin ich oben auf einem Pfad und erreiche dann noch einen Weg. Einer mir entgegenkommenden Familie stelle ich die Frage ob sie andere Läufer gesehen haben. „Oh ja, dort lang und dann gleich rechts die Stufen hoch!“. So erreiche ich Stufen, die aus Baumstämmen gebaut worden sind. Dies ist nun richtig anstrengend und die Kraft schwindet aus den Beinen. Nach einiger Zeit bin ich dann aber oben auf Blackford Hill an einer Stelle, wo der fünfte Klipser ist. Ein Dudelsackspieler spielt (tolle Atmosphäre) und eine ältere Helferin fragt nach meinem Shirt. Ich erzähle, es war ein Geschenk und ich komme aus Deutschland. Sie fragt, woher dort und ob es dort auch diese Art von Berge gäbe. Wohl eher nicht ... :-)

Über einen Golfplatz geht es nun Richtung Arthur‘s Seat. Zuvor aber wieder erst durch die City. Ich kann einer Gruppe von Läufern folgen. Und dann tut sich das Ungetüm auf. Von hier unten kann ich schon sehen, wie sich viele Läufer in Serpentinen über Steinstufen hochschrauben. Rechts davon versuchen es einige Unerschrockene auf direktem Weg per Klettereinlagen. Ich wähle den sicheren Fußweg links.

Über große Steinblöcke gehend quälen wir uns hinauf. Der Berg ist mehr als heftig und dies hat gar nichts mehr mit laufen zu tun. Jeder Schritt muss konzentriert gegangen werden, um nicht umzuknicken bzw. auszurutschen. Zwischendurch gibt es kurze Verschnaufpausen und danach auch kleine Klettereinheiten. Und wir müssen wirklich auf den Gipfel! Ein Kilometer kostet hier fast 18 Minuten. Aber dann (irgendwann) bin ich oben und es weht ein heftiger Wind. Der letzte Klipser ist hier an einer kleinen Betonpyramide angebracht. Einer der Alans sitzt im vermeintlichen Windschatten, der arme Kerl sieht total verfroren aus.

Bergab ist es nun einfacher. Erst noch geröllig, wird es nachher zu einem laufbaren Weg. Kurz vor Holyrood House streikt meine Uhr. Wieder anschalten, aber leider wird die Strecke nicht mehr angezeigt. So laufe ich leider einen kleinen Umweg. Eine nette Frau zeigt mir den Weg zum Calton Hill.

Hier irre ich nun ein wenig umher und bin auch am Ende meiner Kräfte. Scheinbar gehe ich nun mehr, als dass ich laufe. Ich sehe einen Läufer vor mir und weiß so zumindest, wo ich lang muss. Mir kommen schon einige Finisher entgegen, die mich anfeuern. Und dann bin ich endlich oben. Mark brüllt bereits von weitem und ich raffe mich noch zu einem Lauf der letzten Meter auf. Die Uhr zeigt dann 3:01 an, ich denke eine gute Zeit.

Ich schnappe mir den Finisher-Bierdeckel und gehe direkt zur Verpflegung. Es gibt Wasser, O-Saft und Kuchen. Ich kaufe Denise und mir ein Shirt für je 10 GBP. Ich möchte auch noch zwei bestickte Handtücher, aber Mark sagt ich brauche keine. Okay, alles klar. Dann ausschwitzen, trinken, quatschen, trinken. Ich ziehe mich um und einer der Holländer kommt zu mir und fragt, wie es war. Er spricht ein übles Englisch, ich kann ihn kaum verstehen, das tut mir echt leid. Er wünscht mir eine schöne Zeit und vielleicht sehen wir uns im nächsten Jahr.

Wir warten nun auf Denise und sie kommt dann auch. Leider wird der Zielbereich schon langsam abgebaut und die Getränke sind bereits aufgebraucht. Aber wir haben ja Wasser mitgebracht und Mark und Jutta holen noch Kuchen.


2015 Schottland - Seven Hills Race